Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension „gefallen gefällt“ – Wolfgang Ratz
Literarisches Österreich, 2012/2
 
     
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Manfred Chobot        
   

gefallen gefällt
Gedichte

     
    2012      
    St. Wolfgang, Edition Art Science
     
    97 Seiten
     
   

€ 11,--

     
           
               
 
   
     
     
 

Literarisches Österreich 2012-2

Manfred Chobot
GEFALLEN GEFÄLLT
104 Seiten. Edition Art Science, Wien 2012
ISBN 978-3-902864-08-6

Der vielseitige Manfred Chobot hat sich nach einigen zumindest veröffentlichungsmäßig von Prosa geprägten Jahren wieder dem Gedicht zugewandt. In dem neuen Band halten sich Witz und Trauer die Waage, bzw. klingt auch das Lachen oft tragisch und birgt noch das Weinen eine Lust.

Gleich zu Beginn malt uns Chobot einen sinnlichen Herbst in „zwergen sich gartenzwerge“: in deinem garten ernten denn / der ast ragt über die grenze / kirschen lutschen und die kerne / ausspucken und nichts als spucken / bis einem die spucke wegbleibt / ...

Zwischen Sprach- und Liebesspiel balanciert das titelgebende Poem „gefallen gefällt“: ein gefallen das sich gefallen lässt / kommt es nicht darauf an / lassen sich die fallen darauf ein / ... / möchte eine hand sich gefallen / zwischen beinen auf und ab / wie flut und ebbe darüber hinaus / ...

Explizit oder angedeutet, die Erotik liegt bei Chobot immer auf der Lauer. In „pompeji anno 79 und danach“ assoziiert Chobot am Ort der seinerzeitigen Katastrophe anders geartete Eruptionen und weniger tragische Liebende als jene, deren Bilder in uns auftauchen, wenn der Name des Ortes fällt. So endet das Gedicht:  ... wenn du auf mir hockst / und ich meinen kopf / an deiner schulter berge / bis zu nächsten eruption / sobald der vesuv / wieder einmal / liebende verschüttet / mit dem parfum /deiner glatten haut

Geradezu magisch erstrahlt das „nachtgedicht“: ich lasse mich fallen / in die sprache der nacht / schier endlos berauscht / von der ruhigen finsternis / gelebt und angeschafft / gehört das bett tagträumern / um übernächtig zu übernachten / spricht die nacht tatsächlich / sobald der tag beginnt / in der nacht

Eigenes Verstricktsein ins System aus Kauf, Konsum und Indifferenz wird – nicht nur – in „das getriebe auf trab halten“ treffend und bitter zur Sprache gebracht: in zeiten der gleichgültigkeit / schließe ich die augen / genüsslich / um zu hören was ich / sehe betrifft nicht mich / keineswegs / konsumiere was ich / brauche und nötig habe / fresse hinein / in mich müssen manager / auch von etwas leben / ...

Eros und Thanatos bestimmen den Abschnitt „schlagschatten“: zum einen das tragikomische Erwachen des Triebs und dadurch ausgelöste Auf- und Erklärungsversuche von Vater und Sohn in „nächte pubertären erwachens“, „das spiel vom tod“ und „pensionsreifer sexualkundeunterricht“, zum anderen der häufiger werdende Verlust von Freunden und die Tatsache von Verfall und Tod an sich. Hier wird der Autor noch persönlicher, verfällt in einigen Gedichten auch in einen sehr musikalischen Dialekt. Mit einem Lotterielos vergleicht er das Schicksal in „a gschenkts loos in da lottarii“, das mit dem Fazit endet: am bestn du falosst di auf dei / eiganes hian wauns da olle an bleedsin / dazöön in da kiachn oda beim dokta / muast lebn mit dein loos / de numma kaunst net auswechsln

Das kleine gelbe Buch überrascht den Leser durch thematische und atmosphärische Dichte und großen Facettenreichtum.

Wolfgang Ratz

 
 
 
 
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