Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension „Die Wunderwelt durch die ich schwebte“ – Maria Gornikiewicz
 
Podium, Nr. 165/166, November 2012    
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Manfred Chobot        
    Die Wunderwelt, durch die ich schwebte – Literarische Träume
(mit Dieter Bandhauer)
     
    2011      
    Wien: Sonderzahl      
    200 Seiten      
   

€ 18,-

     
           
               
 
   
     
     
 

Chobot, Manfred / Bandhauer, Dieter (Hg.): „Die Wunderwelt, durch die ich schwebte – Literarische Träume“
Sonderzahl, Wien 2011, 197 Seiten, 18 Euro.

Fast alles verfügt über einen Schutzpatron. Morpheus ist der Gott der Träume. In seinen Armen fühle ich mich meistens wohl, denn ich habe selten Alpträume. Und ich halte das Träumen für eine Art der kreativen Faulheit. Deshalb habe ich mir sehr gerne das Buch über literarische Träume aus dem Sonderzahl Verlag zur Brust genommen. Das hat mir gut getan.
Herausgegeben ist es vom literarischen Urgestein Manfred Chobot und dem Verleger Dieter Bandhauer. Der Inhalt dieser „Wunderwelt“ sieht aus, als ob man mit minimalem Aufwand maximalen Effekt erreicht hätte. Aber die Wirkung der Leichtigkeit ist nur schwer zu erreichen. Im Gegenteil: Es muss ein ordentlicher Arbeitsaufwand dahinter stecken, literarische Träume zu ent- und aufzudecken. (Und die Rechte für den Abdruck zu erwerben.)
Vorweg. Morpheus, der Bühnenbildner der Träume hat es leichter. Ihm steht alles zur Verfügung: die Erde, der Himmel, die Sonne, jedwede fiktive Gestalt, alle Tiere, Bäume Pflanzen, ein unüberschaubares Durcheinander. Und trotzdem erscheint uns im Traum alles logisch, sogar die Auferstehung der Toten. Übrigens hat mir beim Lesen natürlich der gute alte Freud über die Schulter geschaut.
In diesem Buch sind Träume von Adorno bis Zürn wiedergegeben, und Dieter Bandhauer hat das Vorwort gestiftet. Außerdem enthält es ein Begriffsregister, sodass man nachschlagen kann, auf welchen Seiten und in welchen Träumen überall z. B. Alkohol, Blut, Feuer, Fische vorkommen.
Chobot sagt zum Schluss mit August Strindberg „Ich träumte, also bin ich“. (Kein Einwand.)
Ganz anders Karl Valentin: Sein Text „Mir hat geträumt“ ist ein amüsanter Dialog zwischen Herrn Lang und Herrn Kurz.
Erich Kästner tut es hintergründig. Die erste Strophe seines Poems „Ein Traum macht Vorschläge“ lautet:
Ich träume – man kann das ja ruhig gestehen – fast nie. / Ich schlafe lieber, sobald ich liege. / Aber kürzlich hab ich trotzdem geträumt, wissen Sie. / Und zwar vom kommenden Kriege.
Geschrieben 1928 – klar, dass es sich dabei um ein Anti-Kriegs-Gedicht handelt.
Der bildende Künstler und Kinderbuchautor Walter Schmögner gibt „Die Erklärung“:
Ich fahre in die Innenstadt. Bei der Kreuzung Akademiestraße-Walfischgasse muss ich bei Rot anhalten. Ich merke, dass andere Menschen auf mich aufmerksam werden. Ich liege auf einem Teppich und warte wie die anderen in ihren Autos. Ich spüre den harten Boden, und zwischen dem Teppich und mir befindet sich ein weißes Hasenfell, das ich mir um den Körper geschlagen habe. Der Teppich ist gerade so groß, dass ich bequem mit meiner linken Hand zum Gashebel greifen kann. Mit meinem rechten Fuß berühre ich das Bremspedal. Der Teppich zeigt ein orientalisches Muster, er unterscheidet sich nur durch den Gashebel und das Bremspedal von anderen Teppichen. Es ist ein kühler, klarer Vormittag, und ich fühle mich wohl in meinem Fell. Nun wird es Grün. Ich gebe Gas....
Ich zitiere Schmögners Text nicht bis zum Ende, möchte aber die große Identifikationsmöglichkeit mit diesem Traum betonen. So und ähnlich habe ich oft geträumt, statt banales Autofahren Schweben auf dem fliegenden Teppich.
Elfriede Gerstl hat im Traum wegen der obligaten Zeitumstellung große Mühe ein Taxi zu finden, um rechtzeitig zum Termin beim Therapeuten zu kommen.
Barbara Frischmuth träumt vom ehemaligen Parkhotel in Altaussee, dem Haus ihrer Kindheit und hat ein Gurkenglas mit zwei kleinen Haifischen.
Klar, dass die Bachmann vorkommt, denn in ihrem Roman „Malina“ wird viel geträumt.
Schade, dass man mich nicht gefragt hat, mein spektakulärster Traum war wohl, dass ich bei meiner eigenen Geburt zugeschaut habe. Ich bin schlicht und einfach die Gebärende, das Neugeborene und die Zuseherin gewesen, die sich so über die kleine Maria gefreut hat.

Maria Gornikiewicz

 
 

 

 

 
 
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