Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension „Das Killer-Phantom. 36 Mini-Krimis“
Lisa Lercher
Literarisches Österreich, Nr. 2016/1
 
     
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Manfred Chobot        
    Das Killer-Phantom. 36 Mini-Krimis      
           
    Hardcover mit Schutzumschlag      
    2015: Wien, Löcker
214 Seiten
     
    € 19,80,–      
    ISBN 978-3-85409-768-6 / 3-85409-768-9      
               
 
   
     
     
 

Der österreichische Schriftsteller Manfred Chobot, der mit seiner Alltagsliteratur und über die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Randphänomenen bekannt geworden ist, hat sich nach „Doktor Mord“ (Löcker Verlag 2015) mit „Killer-Phantom“ erneut auf kriminalistisches Terrain gewagt. Dort serviert er Mini-Krimis, scheinbar leicht verdauliche Happen, die sich beim Genuss mitunter als ausgewachsene Kriminalfälle entpuppen die schlafstörend, wie ein zu schweres Nachtmahl, wirken.
Der Autor hat die 36 Geschichten seiner Anthologie in drei Themenblöcke gegliedert – das Killer-Phantom, Sterben und Erben, Lügen und Betrügen. Das Spektrum der Täter und Motive lasst für Krimifans kaum einen Wunsch offen. Zwischen den Buchdeckeln tummeln sich Diebe, Mörderinnen, Brandstifter, Heiratsschwindler und Trickbetrügerinnen, die aus altbekannten Gründen: Neid, Hass, Gier Eifersucht etc. straffällig werden. Wie auch im richtigen Leben landen nicht alle von ihnen in den Fängen der Justiz, manches bleibt unaufgeklärt, einiges offen und gelegentlich fehlt es einfach nur an den nötigen handfesten Beweisen für eine Verurteilung.
Damit ist ein wichtiges Stichwort gefallen: Wie man auf dem Klappentext des sympathisch gestalteten Hardcovers erfährt, beruhen Chobots Geschichten nämlich wirklich auf Tatsachen. Über Hintergründe und Details verschweigt sich der Autor – vielleicht auch nur, um den Spürsinn der Lesenden zu wecken. Mir persönlich hätte mehr Information zur Recherche und Auswahl der Beiträge als Rahmen durchaus gefallen.
Die Redewendung, dass das Leben die besten Geschichten schreibt, bestätigt sich nicht nur bei der titelgebenden Story „Killer-Phantom“, die aufzeigt, warum man auch im kriminalpolizeilichen Alltag Gebrauchsanleitungen unbedingt lesen sollte. Chobot macht uns mit etlichen skurrilen Charakteren bekannt, wie etwa dem Liebhaber, der im entscheidenden Moment die Zange auspackt, die Pensionistin, die mit dem Nudelholz bewaffnet durch die Dämmerung pirscht, oder der Betschwester, die nicht nur inbrünstig Gott lobt, sondern auch den Ortspfarrer stalkt.
An einzelne Geschichten meint man sich zu erinnern, zumindest irgendwann schon einmal etwas in der Richtung gehört zu haben. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich die Sammlung wie eine Mischung aus heiterem Bezirksgericht und Regionalnachrichten liest. Chobot wechselt dabei die Erzählperspektiven, berichtet einmal aus der Sicht des Opfers, dann wiederum aus jener der Täterin, streut auflockernde Dialoge ein und hilft sich mit auktorialen Passagen.
Dass etliche Fälle ungelöst bleiben oder aus der Erzählperspektive mit der Feststellung enden, dass noch weitere Zeugen vernommen werden müssen, kann man als Anstoß für die eigene Fantasie werten oder auch als Grundlage für Diskussionen über den möglichen Ausgang des jeweiligen Falls nutzen. Gelegentlich hilft der Autor mit Spekulationen weiter, die dabei unterstützen, selbst die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.
Krimigeeichtes Klientel könnte die fehlende Aufklärung in manchen Geschichten auch als Manko dieser Minis empfinden. Ebenso wie es sie stören mag, dass Lösungen einzelner krimineller Begebenheiten bereits zu Beginn der Schilderungen offengelegt werden, was dem Spannungsbogen schadet.
Wer empfindlich auf verrutschte Sprachbilder und Wortwiederholungen reagiert, wird sich für die nächste Ausgabe mehr germanistischen Spürsinn des Lektorats wünschen. Denn auch Worte verlangen ein Korrektiv, wenn sie auf die schiefe Bahn geraten und dafür gibt es Beweise – im gegenständlichen Fall sogar schwarz auf weiß.

Lisa Lercher

 

 
 
 
 
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