Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Ziegelschupfen oder Die genüssliche Mühe der Bewegung."- Alfred Warnes  
Wiener Zeitung, Jänner 1995
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Ziegelschupfen oder Die
     
    genüßliche Mühe der Bewegung“      
    Erzählung      
    1994: Weitra,      
    Bibliothek der Provinz      
    € 13,00      
           
               
 
   
     
  Der Wind als Gelieber - Geschichte von Wahn und Wirrnis: "Ziegelschupfen" von Manfred Chobot  
     
 

Bei "Ziegelschupfen oder Die genüssliche Mühe der Bewegung" von Manfred Chobot wird in der Ichform die Vita einer Frau aufgerollt, die an ein Gefangensein innerhalb von Mauern, innerhalb eines Netzes aus Verboten und Geboten, innerhalb eines Systems aus Buße und Vergeltung gewöhnt ist.

Das Zuschlagen von Türen und das Sperren von Schlössern sind zentrale Geräusche, welche die frühe Erinnerung an aufgezwungene Isolation prägen. Da finden sich nur selten lebenswarme Lichtblicke, Möglichkeiten, die sich so ausnehmen wie das Zulaufen eines Hundes oder die bewegliche Zutraulichkeit eines Singvogels.

Der Vergleich der Entwicklungsgeschichte der Erzählerin mit der ihrer Mutter führt zu Parallelläufen, zu Überschneidungen, zu Gegenüberstellungen. Der Fantasie des Lesers wird ein großer Freiraum belassen.

In einigen überscharfen Details allerdings reflektiert die Hauptfigur präzise; über lange Strecken des Erzählstromes hinweg ist es aber nicht leicht, die Gedankenflut einer von Wirrnis und Wahn Gezeichneten zu ordnen. Die Bändigung der Neuigkeiten und des überschnellen Informationswachstums scheint ihr durch den täglichen Erwerb der aktuellen Zeitungen zu gelingen, die sie jedoch ungelesen auf den Stapel räumt, der sich neben ihrem Lager auftürmt. In ihrem Gedankenfluß ist "der Wind der Geliebte": "Konstruierte ein Windrad für ihn, in dem er turnen konnte, sich austoben. Ein Rad mit Flügeln, eine Drehung verriet mir Deine Anwesenheit."

Der letzte Vorgang in diesem weder von Eile noch von Langeweile bestimmten Sich-Zurücknehmen von der Außenwelt, nachdem sie schon 15 Jahre nichts von der Mutter gehört hatte, war das Dichtmachen der Fenster, das Zumauern der Tür, das Entfernen der Fahnen und das Verschließen des gefalteten Tuches im Schrank. "Meine behagliche Klause gedieh: Die Öffnung nach außen wurde kleiner und kleiner. Indes war es allmählich finster geworden, so daß ich gezwungen war, Kerzen aufzustellen. Da weder Zugluft noch Wind ihre Flammen störten, brannten sie ruhig ab. Nach und nach gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Bald bediente ich mich einer Leiter, um die letzten Ziegel anzubringen..."

 
   
 
Alfred Warnes
 
 
 
     
     
 
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