Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
back
 
 
Rezension "sport gedichte"- H. Wolfgang Käfer  
"morgen", Nr. 71/90
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
  Sportgedichte
     
    1989: Wien, herbstpresse      
    broschiert      
    € 10,00      
    (Restexemplare beim Autor)      
           
           
               
 
   
     
 

Eine gänzlich andere Lyrik findet man bei Manfred Chobot. Hier dominiert die aus reichlichen Erfahrungen, Gedanken und Einsichten abgeleitete, fast mathematische, fast anwendbare Sprachformel. Sinn und Bedeutung ergeben sich aus der Doppelbödigkeit der Sprache, die die Doppelbödigkeit der Erfahrungen offensichtlich macht. Dabei wird schon am Buchdeckel der "Sport" weit größer geschrieben als die "Gedichte"; aber zum Formalen komme ich erst später.

Im Buch wird von einem Abtrünnigen Bericht erstattet, welch ein Betrug mit dem Leistungssport an jugendlichen Sportlern, aber auch an dem Publikum begangen wird. Chobot war dem Schwimmsport zu verfallen, daß sich ihm die Klasse absichtlich zu wiederholen als genialer Einfall darstellt: "da mir der lehrstoff / bereits bekannt ist / muß ich weniger lernen / kann hingegen mehr trainieren". Der Plan geht nicht auf, das Gedicht heißt dennoch "rein & durchfall", denn es ist nicht bloß der Einfall, auf den der Autor hereingefallen ist; und das Durchfallen, in der Schule von gutmeinenden Lehrern verhindert, hat im Gegenstand Leben doch stattgefunden.

Noch deutlicher drückt sich die Doppelbödigkeit in dem Gedicht "tägliches training" aus, das mit der Formel "es war mir eine lehre" endet. Wenn wir in dem Gedicht nachschauen, was eine Lehre war, dann finden wir "ich habe gelernt / zu kämpfen / .... meine angst nicht zu zeigen / ... mich zu quälen", wir finden aber auch "ich habe gelernt / meine leistung zu steigern / ... meinem organismus zu vertrauen" und dergleichen, also völlig vermischt Brauchbares wie Lebensfeindliches nebeneinander. Die Lehre, die das war, muß nicht bloß in einer Fähigkeit gipfeln, sie wird auch, nach dem häufigeren Gebrauch der Formel "es war mir eine lehre", die Absage an dieses Gelernte beinhalten. Und vielleicht hat als dritter Boden der Bedeutung sogar noch die Lehre zu der Einsicht geführt, wie vermischt, für den Jugendlichen nicht auseinander haltbar Negatives wie Positives im "täglichen training" enthalten war. "es war eine lehre" ist also wie eine mathematische Formel zu betrachten, die sowohl für die Berechnung der Renten wie auch für die Kapitalverzinsung, etwa in der Rüstungsindustrie, zuständig ist.

Chobot entlarvt die sportlichen Sonntagssprüche ("sport ist gesund"), er spricht von der "all-gemeinen täglichkeit", in der die "Tätlichkeit" mitklingt, er berichtet von Ausgrenzung, von "kraft durch folter" (auf die Sportmedizin bezogen), von chauvinistischen Sportreporterperspektiven, von den Interessen der Ausstatter, "die sich an den werbeträchtig / zurechtgeputzten sportkrüppeln / gsundstessn", er spricht also von all dem, was nicht gänzlich unbekannt ist, sich aber in den schönen aufregenden Fernsehbildern der Direktübertragungen und im Geheule und Gestammel der Reporter spurlos aufzulösen pflegt. Man könnte dieses Buch als Impfung gegen diese Auflösung lesen.

Ich halte es für abträglich, die Gedichtform, wie es Chobot macht, bloß als Sichtweise, als Anstoß für die Betrachtungsweise vorzugeben; ich vermute sogar, manches von Chobots Gedichten würde sich als Kurzprosatext, also in einer zu Unrecht heute völlig vernachlässigten Form, besser ausnehmen. Denn die Inhalte und ihre Pointierung in Chobots "Sport Gedichten" verdienten viele Leser, vor allem sollte man dieses Büchlein jedem jugendlichen Sportausübenden in die Trainingstasche stecken.


 
   
 
H. Wolfgang Käfer
 
 
 
     
     
 
top