Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Chobot-Lesebuch"- Gerhard Jaschke  
ORF - "ex libris", Ö1, 24. Mai 1987
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot  
   
 
„Chobot-Lesebuch“
  Chobot-Lesebuch
     
    1987: Wien, Frischfleisch &      
    Löwenmaul      
    broschiert      
    vergriffen      
           
           
               
 
   
     
 

Manfred Chobots Lesebuch, vor kurzem bei Frischfleisch & Löwenmaul in Wien erschienen, hält auf sehr anschauliche Weise Stationen aus dem Leben des Autors fest.

Gerade rechtzeitig zu Chobots 40. Geburtstag bietet es einen Überblick über sein reichhaltiges literarischen Schaffen. Beispiele aus Lyrik, Prosa und Hörspiel werden geboten, weiters private Eintragungen, die gleichsam als Rüstzeug, Materialensammlung des kritischen Zeitgenossen zu verstehen sind. Scheinbar Belangloses für den Außenstehenden, doch von einiger Wichtigkeit wohl für den Seismographen, der anhand dieser Notizen gewichtigere Werke zu erarbeiten gedenkt.
Alles in allem, auch seine Betrachtungen bildender Kunst von Karl Anton Fleck über Adolf Frohner und Franz Schwarzinger, der das Chobot-Lesebuch illustrierte, bis hin zu Alfred Hrdlicka und Ernst Zdrahal, sind da nicht auszunehmen, macht dieser Band mit einer Privatheit bekannt, die nicht allzu oft anzutreffen ist.

Bereits in der einleitenden Erzählung "Auf der Suche nach den verlorenen Sekunden - ein Autor sucht seine Siege" wird man überrascht. Chobot tritt uns in dieser als Wassersportler gegenüber. Als eifriger Schwimmkerl, der mit dem lieben Gott Geschäfte tätigt - ein Erfolg bei einem Wettbewerb gegen ein paar "Nicht genügend" in der Schule. Die Hierarchie, die mit der Stoppuhr ermittelt wurde und die Kollegialität, die im Wasser erlosch, beschreibt er drastisch. Von Sommeraufenthalten an Kärntner Badeseen, gleichgeschlechtlichen Erlebnissen im Trainingslager ("ein angenehmes Gefühl neben einem schlechten Gewissen") über preisgünstige Einkäufe von Schubert-, Beethoven-, Grieg- und anderen Partituren in Ungarn und der Tschechoslowakei, bis zum Kennenlernen seiner späteren Ehefrau Dagmar im Bundessportheim Obertraun während einer Landschulwoche und den ersten großen Leseerlebnissen (unter anderen: Büchners "Woyzeck", Frischs "Homo faber", Stücke von Sartre, Camus, Gedichte Brechts) erzählt Manfred Chobot recht ungezwungen.

Seine Notizen des Zeitraums 1978 bis 1986 könnten überschrieben sein mit einer Zeile aus einer Eintragung vom 12. 7. 1979. Sie lautet: "nebensächlichkeiten erinnern sich." Unter diesen Randbemerkungen findet sich auch die Frage: "warum schreiben Sie keine positiven texte?", gestellt während einer Schullesung von einer Lateinlehrerin. Chobot auf Kästners Spuren? "sich wehren mit körper und geist", wie es an anderer Stelle geschrieben steht, ist ihm vertraut. Chobot kämpft in seinen Texten an gegen Lethargie, Vernichtung des Menschen und der Natur. - "sehnsüchte und wirklichkeit verschmelzen ineinander". Diese Losung, in dem Text über den "Maskenverkäufer" Zdrahal formuliert, wird von Chobot wahrgemacht.

In dem 1972 verfaßten Gedicht: "JETZT utopie - DANACH realität" legte er bereits programmatisch fest: "kriege sind als sinnlos erkannt worden / die freiheit der person ist zur selbstverständlichkeit geworden" und: "einander zu helfen ist gesetz geworden".


 
   
 
Gerhard Jaschke
 
 
 
     
     
 
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