Ausgewählte Kritiken - Rezensionen  
 
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Rezension "Der Wiener Brunnenmarkt" - Barbara Neuwirth
"Podium", Nr. 131/132, April 2004
   
   
 
     
 
 
     
  Manfred Chobot/Petra Rainer  
   
 
Der Wiener Brunnenmarkt
  Der Wiener Brunnenmarkt
     
    Text Manfred Chobot      
    Fotos Petra Rainer      
    2003, Wien, Holzhausen      
    133 Seiten, 70 Abb.      
    € 28,--      
           
               
 
   
     
 

Verreisen in der eigenen Stadt: Manfred Chobot muss von seiner Wohnung am Yppenplatz grad mal die Stiege runter und um ein paar Ecken gehen. Und Petra Rainer braucht mit dem Fahrrad fünfzehn Minuten von daheim zum Brunnenmarkt. Dort fühlte sie sich "anderswo". Wie sehr dieses Anderswo ein Ort in vertrauter Nähe sein kann, dokumentiert dieses Buch. Und es zeigt auch, wie viel Verborgenes sich in scheinbar vertrauter Umgebung aufspären und entdecken lässt. Von außen betrachtet: Sauerkraut, Fischfeinkost, Kebab, Kräuter, Marmeladen, Textielien. Waren aller Art gibt es am Brunnenmarkt, der mit über 500 Metern einer der längsten Strassenmärkte Europas ist. Chobot und Rainer bieten nicht nur Streifzüge, sondern wirkliche Einblicke in eine multikulturelle Geschäftswelt, die sich mit ihrer Lebendigkeit wohltuend von der ruhigen Umgebung des 16. Gemeindebezirks abhebt. Bild und Text begleiten einander harmonisch. Manfred Chobot steht bei diesem Buch in der Tradition des Dokumentaristen. Er kommuniziert Persönliches: Schicksale, Biographiesplitter und Gefühle der Menschen, die ihre Läden mit Leben erfüllen. Dabei nutzt er verschiedene Möglichkeiten des Erzählens: den Inneren Monolog, das Interview, die Introspektion. Und er tut dies mit so viel Anteilnahme und Verständnis für die Lage der Menschen, dass ihre Persönlichkeiten sprachlich zum Leben kommen. Da ist es nur konsequent, dass etliche Texte in gebrochenem, fremdsprachlich gefärbtem Deutsch der ErzählerInnen gehalten sind. "Alle Geschichten sind Lebensläufe der Menschen, starten irgendwo in der Türkei, Pakistan, Kroatien und laufen letztendlich in der Brunnengasse oder am Yppenplatz zusammen", faßt Petra Rainer zusammen. Dinge erscheinen in ihren Bildern als Stillleben. Die Menschen mit wenigen Ausnahmen jeweils in Beziehung zu Dingen, zu Tüchern, Pfosten, Räumen - zu den elementaren, strukturellen Elementen. Die Fotos sind schwarzweiß und häufig mit geringer Tiefenschärfe gemacht. So hebt sie die Menschen aus dem Umfeld, in das sie sie stellt, gleichzeitig heraus. Die Prinzipien des Buches: Zuneigung, Respekt, offene Sympathie. Manchmal melancholisch und dann wieder verschmitzt. "Der Wiener Brunnenmarkt" ist nicht nur ein Buch für GenießerInnen (von Speisen, Anblicken und Geschichten), sondern in hohem Maße auch für alle, die einen vertieften Einblick in kleine, interessante Geschäftswelten suchen.

Auch in dem Buch Reisegeschichten ist Chobot Dokumentarist - diesmal allerdings auf dem umgekehrten Weg. Er ist der Reisende, der in fremde Länder und Welten auf Besuch kommt und Erfahrungen sammelt, ehe er wieder abreist. Von Rom über US-amerikanische Städte über Hawaii und Mexico über Südamerika nach China, Israel, Malta zurück nach Basel und noch schnell in die DDR versammelt der Autor in diesem Buch Geschichten von Menschen und Verhältnissen. Nicht nur für Lesende, die einzelne Länder oder Orte selbst bereist haben, ist das Buch unterhaltsame Lektüre, sondern auch für jene, die den sehr persönlichen Zugang eines Autors in Verbindung mit Wissenswertem einer rein faktenbezogenen Information über ein Reiseziel bevorzuge. Schließlich: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.

 
   
 
Barbara Neuwirth
 
     
     
     
 
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